Fraktur nach 1941

Doch etwas irritiert blickte ich gestern in dieses hübsche Buch von 1942 des saarländischen katholisch-konservativen Heimatdichters Johannes Kirschweng, das ich gestern dem hiesigen öffentlichen Bücherschrank entnommen habe.

Es handelt sich um die fünfte Auflage des erstmals 1940 im Freiburger Herder-Verlag erschienen Buches und ist in einer schönen Fraktur, vermutlich der Unger-Fraktur, gesetzt, obwohl die Nazis entsprechend einem von Martin Bormann am 3. Januar 1941 veröffentlichten Erlass doch die Verwendung von Frakturschriften oder, wie sie darin irreführend genannt wurden, »Schwabacher Judenlettern« in Deutschland verboten hatten. Das hat offenbar nicht wie gewünscht funktioniert, wobei das im vorliegenden Fall auch daran gelegen haben könnte, dass einfach nur der Stehsatz von 1940 verwendet wurde und auch damals ökonomische Gründe Vorrang vor der Ideologie hatten.

Dass bereits zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung eine fünfte Auflage gedruckt wurde, spricht für die Popularität des Inhalts, was insofern nicht verwundert, da »sein Buch«, wie Kirschweng im Vorwort schreibt, »Menschen in die Hand geraten [möge], die traurig sind und nach Trost verlagen.« Derer gab es spätestens nach 1939 bekanntlich mehr als genug.

4 Gedanken zu „Fraktur nach 1941“

  1. Lieber Herr Franssen,
    auf Ihre „Anmerkungen und Beobachtungen“ bin ich erst spät, nämlich jetzt, gestossen.
    Haben Sie dank für all die Mitteilungen. Es ist für mich eine Freude, wie akribisch Sie Fundstücken, wie dem Band „Trost der Dinge“ nachgehen. Das hat für mich den Vorteil, dass selbst Umstände, die nicht im Brennpunkt Ihres Interesses stehen, ebenfalls dokumentiert werden, so wie der obige Pappband. Ob das wohl der originale Verlagseinband war? Antiquarisch taucht er kein zweites Mal auf (Eurobuch.de), dem Herder-Verlag traue ich es dennoch zu, jedenfalls ist er seiner Zeit um ca. 10 Jahre voraus , finde ich. Ein toller Fund!
    Herzliche Grüße, Frank Sellinat

    1. Vielen Dank für den Hinweis. Der auffallend hübsche Einband hat mich damals auch bewogen, das Buch aus dem öffentlichen Regal zu nehmen. Tatsächlich sind die im Netz angebotenen Exemplare anders, schlichter eingebunden. Mein Band gibt aber keinen Hinweis zur Annahme, dass er nachträglich neu gebunden wurde, es sich also nicht um einen Verlagseinband handelt. Ich werde ihn mir bei Gelegenheit noch einmal genauer anschauen. Sonderbar.

  2. Hier sollte man differenzieren: Als Werkschrift für den Satz von Büchern oder anderer Mengentexte gewerblicher Verlage haben gebrochene Schriften tatsächlich seit den 50er Jahren ausgedient. Leider, denn für mich sind deutschsprachige Texte in solchen Schriften spätestens seit den Vorbereitungen zur Ausstellung ›Buchkunst des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland‹ immer noch angenehmer zu lesen als in Antiqua-Schriften. In der Buchkunst werden gebrochene Schriften aber, wie Sie bereits schrieben, nach wie vor gerne genutzt. Zuletzt bei unserem Walz-Projekt im vergangenen Jahr in Dohna, in dessen Rahmen ein Kochbuch der Inkunabel-Zeit neu gesetzt wurde (s. aber etwa auch einige Drucke der ›The Bears Press‹).

    Für die Werbung oder den Akzidenzsatz sind gebrochene Schriften indes schon seit einigen Jahren wieder sehr beliebt. Beredtes Zeugnis ist zum Beispiel das 2006 im Mainzer Hermann Schmidt Verlag erschienene Buch ›Fraktur mon Amour‹ von Judith Schalansky, von dem es mittlerweile auch eine englischsprachige Ausgabe gibt. Die junge Generation von Gestaltern geht mit gebrochenen Schriften weitaus unverkrampfter um und hat kaum mehr ihre ideologischen und historischen Konnotationen im Kopf, sondern wählt sie weitgehend nach ästhetischen Kriterien aus. Das wurde auch beim oben genannten Fraktur-Wochenende des Vereins deutlich. Und es betrifft nicht nur die Gestaltung von Mode-, Musik- oder allgemein Produkte der Pop-Kultur, sondern auch solche anderer Gewerbe, etwa der Gastronomie (s. dazu auch einen Beitrag von Martin Z. Schröder in der Berliner Zeitung vom 23.4.2007).

  3. Interessante Fakten! Frakturschriften sind heutzutage sehr unbeliebt. Die Kinder und Jugendlichen können sie nicht lesen. Ein Gymnasium, das über 350 Bücher von mir erhielt, lehnte aber Bücher in Frakturschrift kategorisch ab. Nur Bibliophile und Historiker befassen sich noch mit solchen Werken.

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